Das Lipödem und ich

In meiner Erinnerung war ich schon immer ein moppeliges Kind. Ich wurde schon in der Grundschule gehänselt und fette Kuh genannt… wenn ich mir aber Fotos von damals anschaue, war ich nicht fett, hatte höchstens ein bißchen Babyspeck. Aber schon damals wurde mir eingepflanzt, zu dick zu sein.

Sport ist mir immer schwer gefallen. Besonders ab der Pubertät wurde der Schulsport zu meinem schlimmsten Feind. Während die anderen ohne Probleme laufen konnten, wurden mir in kurzer Zeit schon meine eigenen Beinen zu schwer und taten weh.

Gleichzeitig begann es, dass mein Hintern und die Oberschenkel immer dicker wurden. Ich wollte aussehen wie die anderen, aber mir passten z.B. keine normal geschnittenen Jeans. Meine Jeans musste ich in karottenform kaufen. Und ich weiß noch, wie fett ich mich beim Anprobieren gefühlt habe. Damals passte ich noch in Größe 42. Dennoch wurde ich immer wieder verletzt. Meine Eltern sagten mir immer wieder, ich dürfe nicht so viel auf meinem Arsch rumsitzen, müsse mich bewegen. Ich hätte einen Arsch wie ein Brauereipferd. Das tut so wahnsinnig weh….

Dabei habe ich mich eigentlich immer viel und gerne bewegt. Ich bin alle Strecken immer mit dem Fahrrad gefahren, bin gerne ins Schwimmbad gegangen… aber ich war immer Außenseiter. Heute weiß ich, dass das eher an meiner Hochsensibilität und möglicherweise an einer Autismus Spektrum Störung lag, aber damals war mir das nicht klar. Darum habe ich immer geglaubt, es läge an meinem Gewicht, an meinem Aussehen. Je mehr ich zum Außenseiter wurde, desto trauriger wurde ich, und je trauriger ich wurde, umso mehr habe ich versucht, mich mit Essen zu trösten. Und leider ist mir das bis heute geblieben.

Irgendwann lernte ich meinen ExMann kennen, und durch falsche Ernährung nahmen wir beide immer mehr zu. Dann wurde ich zum ersten Mal schwanger, und ab diesem Zeitpunkt wuchs dann mein Lipödem immer mehr. Ich hatte regelrechte Schübe, während denen meine Arme und Beine immer sehr schmerzten und an Umfang zunahmen. Als meine Tochter 2 Jahre alt war, hatte ich einen Unfall, bei dem mir die rechte Kniescheibe komplett rausgesprungen ist. Davon hat sich mein Bein nicht mehr erholt.Mittlerweile seit 14 Jahren rutscht mir die Kniescheibe immer mal wieder raus, was irrsinnig weh tut. Dadurch habe ich gelernt, mich weniger und vorsichtiger zu bewegen, was natürlich für meine Diät und Abnehmversuche total kontraproduktiv war.

Ich war damit natürlich bei mehreren Orthopäden,wurde aber immer weggeschickt. Das müsse operiert werden,aber das ginge bei meinem Übergewicht eh nicht.

Ich war im Laufe der Jahre schon bei vielen Ärzten, aber ich bekam immer nur zu hören, ich sei zu fett und solle meine Ernährung umstellen und Sport treiben. Ich musste 3 Ernährungsberatungen machen, habe diverse Sportangebote der Krankenkasse wahrgenommen usw. Aber meine Beine und Arme wurden immer dicker.

Die Schmerzen wurden mein täglicher Begleiter. Ich hatte ständig riesige blaue Flecken, ohne zu wissen wovon. Wenn meine Kinder oder Katzen auf meinem Schoß saßen oder kletterten, hatte ich Schmerzen. Und auch zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie etwas von Lipödem gehört. Ich habe immer geglaubt, es tut halt weh, dick zu sein.

2014 habe ich dann eine Mutter Kind Kur gemacht und dort hat mir meine Physiotherapeutin gesagt, ich sei nicht einfach nur dick. Man sehe doch daran,wie komisch und ungleichmäßig das Fett an meinem Körper verteilt sei, dass das doch nicht nur normales Übergewicht sein könnne.

Nach der Kur war ich dann bei einem Phlebologen. Und der hat zum ersten Mal das Lipödem diagnostiziert. Ich weiß noch, dass ich in seiner Praxis geweint habe, als er sagte, ich sei nicht einfach fett, sondern krank. Einerseits war da endlich eine Erklärung, andererseits war schon klar,dass es nicht heilbar sein würde. Leider konnte dieser Arzt meinen Weg nicht weiter begleiten.

Danach war ich zu einer Untersuchung in einer Privatklinik in Köln. Hier habe ich die Diagnose zum ersten Mal auch schriftlich bekommen. Gleichzeitig wurde ich darüber informiert, dass man das kranke Fett absaugen lassen könne, dass die Krankenkasse dies aber nicht bezahlen würde. Ich würde ca. 10 bis 12 OPs brauchen, weil nicht nur Fett abgesaugt werden, sondern danach auch überschüssige Hauptlappen entfernt werden müssten. Der Kostenvoranschlag lag bei über 20.000 Euro. Und damit war klar, dass ich diesen Weg nicht gehen kann.

Seit meiner Diagnose im Jahr 2017 hatte ich wieder nur Pech mit Ärzten. Ich schaffe es immer, an Ärzte zu geraten,die nicht an die Krankheit Lipödem glauben oder sich aus anderen Gründen weigerten, mir manuelle Lymphdrainage zu verschreiben. Seit 2019 habe ich nun endlich eine Ärztin, die das macht, so dass ich zweimal pro Woche 60 Minuten MLD bekommen kann. Dafür weigert sie sich, mir zusätzlich den Antrag auf einen Lymphomaten zu unterschreiben. Für sie gibt es nur entweder MLD oder Lymphomat, obwohl meine Physiotherapeutin ganz klar sagt, dass der Lymphomat die MLD nicht ersetzen, nur ergänzen könnte. Ebenso wie die Kompressionskleidung.

Mittlerweile habe ich Lipödem Stufe 3 bis 4 und dazu ein Lymphödem Stufe 1. Ich bin erwerbsunfähig und habe Pflegestufe 2. Und ich bin erst 42 Jahre alt.

Ganz oft macht mir das alles eine riesige Angst. Es ist nicht leicht für mich, mit dieser Krankheit zu leben. Aber ich versuche, positiv zu bleiben. Ich schaue mich nach anderen Dingen um, mit denen ich mein Leben bereichern kann. Zum Beispiel die Arbeit an diesem Block, das Rezensieren von Büchern, das Schreiben…. ich habe mich auf den Weg gemacht, Autorin zu werden. Denn ich will mich von dieser Krankheit nicht unterkriegen lassen.

8 Kommentare zu „Das Lipödem und ich

  1. Ich danke dir sehr für das Teilen dieser so persönlichen Geschichte! Es tut mir leid, dass du erst so spät herausgefunden hast, dass du krank bist und dass auch die Ärzt*innen oft eher für mehr Unverständnis und Probleme gesorgt haben, anstatt dir zu helfen. Aber es freut mich sehr zu hören, dass dir dein Blog und das Lesen und das Schreiben von Büchern etwas helfen und dich ablenken. Ich wünsche dir auf dem Weg, Autorin zu werden alles, alles Gute und ganz viel Erfolg und Mut! Ganz liebe Grüße, Luna.

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  2. Hm – Ich hab das Wort schon mal gesehen – aber mich nie damit beschäftigt.
    Ich bin auch stark übergewichtig – und auch ich habe mit meinem Mann zugenomen – aber bei mir war kein Hormoneller Schub da, da ich keine Kinder habe – also ist es bei mir wirklich „nur“ Übergewicht – was allerdings während der Pubertät anfing.
    Ich denke, dass bei mir die Nachtschicht das Problem ist – unzureichender Schlaf. Unterbrochener Schlaf. Bewegungsmangel ist es eher nicht, da ich am Tag schon so auf 15tsd- 20tsd Schritte komme, da ich körperlich arbeite. Also wie gesagt nicht so direkt mit dir vergleichbar – bis auf das Emotionale – ständig mit Übergewicht zu leben ist sehr belastend.
    Ich hab mich arrangiert.
    Schön, dass du uns einen Einblick in dein Leben gibst. Das ist auch für dich bestimmt mal entlastend.

    Liebe Grüsse

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  3. Ich finde es wahnsinnig mutig und großartig, dass Du über Deine Erkrankung sprichst!
    Ich hoffe, dass Du bald Hilfe findest und die OPs auf Kasse durchgeführt werden können.
    Hoffentlich so schnell wie möglich.

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      1. Ja, natürlich. Im Netz findet man mittlerweile relativ viele Informationen zu meiner Krankheit. Mehr, als einem die meisten Ärzte dazu sagen können.

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  4. Erst einmal „Danke“ für das gefällt mir auf meiner Seite, Deine Lebensgeschichte zu lesen, spiegelt vieles aus meinem Leben wieder. Ich habe zwar kein Lipödem, aber bin auch von kleinauf Übergewichtig. Wegen deinem Lymphomat setze dich mal mit deiner Krankenkasse in Verbindung. Wenn du den auch dringend brauchst darf es deine Ärztin nicht verweigern, ansonsten kannst du dir Hilfe beim SOVD oder beim VDK holen (beides deutsche Sozialverbände), der SOVD hilft mir auch in solchen Angelegenheiten seit meinem Herzinfarkt vor drei Jahren.

    Ich wünsche dir von Herzen alles Gute, und das du schnell Hilfe bekommst. Und vor allem lass dich nicht unterkriegen.

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