Das ist eine These, die ich in unzähligen Erziehungsratgebern gelesen und auch in der Ausbildung zur Erzieherin gelernt habe. Jedes Kind kann spielen, es muss spielen nicht lernen. Spielend entdecken und erleben Kinder sich selbst und ihre Umwelt.
Und ja, ich habe das auch so erlebt. Im Freundeskreis, in den diversen Kindergärten, in denen ich gearbeitet habe. Ebenso in den Medien. Kinder spielen. Und erleben in ihren Spielwelten unzählige Abenteuer! Und ich habe mich darauf gefreut, eigene Kinder zu bekommen und mit ihnen zu spielen!
Und nun habe ich 3 Kinder. Und ich weiß jetzt, dass die These nicht stimmt! Meine 2 ältesten Kinder haben nie gespielt. Sie haben reichlich Spielzeug besessen, aber neue gespielt. Rollenspiele, Lego, Playmobil, Schleich, Puppen…völlig egal. Sie spielten nicht!

Mittlerweile weiß ich, dass die Große vermutlich und der Mittlere definitiv eine Autismus Spektrum Störung haben. Dabei ist es gar nicht ungewöhnlich, dass meine Kinder sich immer ganz anders verhalten haben als andere Kinder. Aber das habe ich erst dieses Jahr erfahren, und mein Sohn ist mittlerweile 12,5 Jahre alt. Bis zu seiner Diagnose habe ich immer an mir als Mutter gezweifelt. Ich habe gedacht, ich habe gravierende Fehler gemacht und bin Schuld, dass sie nicht spielen konnten. Und das ist auch ganz klar die Rückmeldung gewesen, die ich immer von meinem Umfeld bekommen habe. Hätte ich (noch mehr) mit ihnen gespielt, hätten sie es von mir gelernt. Dass sie es nicht gelernt haben, war also mein Fehler. Und ich habe das all die Jahre geglaubt. Bis meine jüngste Tochter geboren wurde, die plötzlich spielen konnte! Sie ist eine Puppenmama, sie ist ein Pferd oder ein Einhorn. Sie spielt mit Schleich und Barbie, springt über unsichtbare Lava usw. Und das alles, ohne dass ich anders oder mehr mit ihr gespielt habe als mit ihren Geschwistern.

Ich habe durch meine Kinder gelernt, dass es nicht DIE KINDER gibt, die man alle in einen Topf werfen kann. Jedes Kind ist ein Individuum. Und ja, es gibt auch Kinder, die keine Freunde wollen, weil sie Schwierigkeiten im sozialen Bereich haben. Es gibt Kinder, die nicht spielen. Und es sollte Bücher geben, die das aufgreifen und den Eltern aufzeigen, dass sie nichts falsch machen und dass es nicht nur das Spiel ist, mit dem Kinder lernen und ihre Welt entdecken. Vielleicht schreibe ich ja mal eins?!
Danke für den Beitrag! Ich finde auch, die Annahme, dass jede*r gleich ticken müsse / solle, ist noch viel zu sehr verbreitet, nicht nur in „Erziehungsratgebern“ (die ich persönlich ohnehin eher kritisch sehe). Die Schönheit der Vielfalt kommt aus meiner Sicht bisher viel zu kurz. Liebe Grüße!
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Liebe Daniela,
ich kenne das gut von meinem mittleren schwer traumatisierten und stark entwicklungsverzögertem Kind. Sie hat auch nie im klassischen Sinne gespielt, sondern hauptsächlich stundenlang Bälle gegen die Hauswand geschossen.
Man konnte ihr auch nicht vorlesen, weil sie gar nicht die Kapazität hat, sich auf andere Welten einzulassen.
Also habe ich andere Wege gesucht und auch viele gefunden: Regelspiele gaben ihr Sicherheit, die hat sie gern gespielt und dabei immer mit viel Anstand verlieren können.
Ich bin mit ihr weit gewandert und geradelt, habe mir Geschichten für sie speziell ausgedacht und die an ihrem „Fassungsvermögen“ entlang erzählt. Sie hat immer gern gekocht und gebacken und macht das nun zu ihrem Beruf.
Wie Maren sagt, es müssen nicht alle gleich sein.
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Mach das. Schreib ein Buch dazu. Direkt aus der Praxis.
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