
Heute wage ich mich einmal an ein sehr kontroverses Thema.
Die meisten Eltern, die ich kenne, nutzen zwar selber digitale Medien, möchten ihre Kinder aber möglichst weit davon fernhalten. Okay, der Fernseher wird mal für eine begrenzte Zeit als „Babysitter“ genutzt, aber das war es dann oft schon.
Ich wollte als Neu-Mama bei meinem ersten Kind unbedingt alles richtig machen. Also habe ich mein Kind bis zum 2. Geburtstag von allen bösen Medien ferngehalten. Da der Fernseher bei mir meistens eh aus ist, war das gar nicht so schwer. Ich war ja zu Hause und hatte viel Zeit, mich mit meinem Kind zu beschäftigen. Zumal ich das eh musste, weil sie sich nur ganz schlecht mit sich alleine beschäftigen konnte. Ich habe unendlich viel vorgelesen, wie waren oft draußen oder bei Oma und Opa, haben viel gebastelt und gemalt… und so ab dem 2. Geburtstag durfte sie dann auch hin und wieder eine absolut altersgerechte Kinderserie auf DVD anschauen. Wollte sie aber kaum.
Dann kam Kind Nr. 2 und mein Exmann hatte zusätzlich zur Vollzeit Arbeit beschlossen, auch noch eine Weiterbildung zu machen. Er war also eigentlich nie zu Hause. Und Kind 2 ist unser Asperger-Kind. Er war von Anfang an total anhänglich, existierte im Prinzip nur an mir dran. Man konnte ihn nicht alleine irgendwo hinlegen, weder ins Bett noch in den Kinderwagen. Wenn er nicht gestillt hat, hatte ich ihn an mir dran im Tragetuch. Und dadurch weniger Möglichkeiten, mich mit meiner großen Tochter zu beschäftigen. Wodurch ihre Medienzeit zunahm.
Schlimmer noch war es bei Kind 3, unsere ADHS Maus. Als sie 8 Monate alt war, ging mein Exmann für eine Schlauchmagen OP ins Krankenhaus und blieb dort wegen Komplikationen 6 Monate. Und ich mit 3 Kindern und ohne Führerschein auf dem Dorf alleine auf mich gestellt. Mein Sohn kam mit der Situation gar nicht zurecht, hatte die übelsten Ausraster und Wutanfälle. Irgendwann ging ich nur noch auf dem Zahnfleisch. Dabei dann noch ein Baby – und als die Kleinste 1 Jahr alt war, bekamen alle Kinder hintereinander weg die Windpocken. Heute weiß ich nicht mehr, wie ich diese Zeit überstanden habe – ich habe irgendwie nur noch funktioniert.
Und ich war unsagbar froh, ein Tablet und einen Fernseher im Haus zu haben, um zwischendurch einfach mal durchatmen zu können. Dadurch war die Kleinste von Anfang an ein sehr begeistertes Medienkind.
Mittlerweile haben alle Kinder im Haus einen eigenen PC, ein Tablet und auch einen Fernseher im Zimmer. Sie dürfen im Prinzip an die Medien, so viel sie wollen. Lustigerweise sind bei unseren Jungs die Fernseher eigentlich immer aus. Sie nutzen am meisten den PC und zocken. Mein Bonussohn macht am liebsten TikTok Videos – und das ist eine der wenigen Dinge, wo wir die Augen drauf halten, da wir nicht möchten, dass er in diesen Videos zu sehen ist.
Was das USK von Spielen angeht, machen wir uns selbst ein Bild und entscheiden je nach Kind, was gespielt werden darf und was nicht. Angefangen haben alle aber mit Minecraft und spielen es heute immer noch gerne.
Für alle Kinder haben die Medien einen hohen Stellenwert. Mein Aspergersohn braucht sie, um abzuschalten und Dinge zu verarbeiten, pflegt darüber aber auch in Online Spielen Sozialkontakt, was ihm im Real Life durch den Asperger nicht gelingt. Die Kleinste spielt intensiv Minecraft, allerdings nur, so lange sie draußen niemanden zum Spielen findet. bei schönem Wetter ist sie lieber draußen unterwegs.
Kind 1 und 2 nutzen ihre Medien extrem viel zur Informationsgewinnung. Sie lesen darauf, schauen und lesen Nachrichten und Dokumentationen usw. Die Große liebt es auch, Serien zu schauen, macht das aber seit Jahren nur noch auf Englisch.
Das ist z.B. ein großer Vorteil, den uns die Medien bringen. Meine Kinder spielen oft auf Englisch und lernen so die Sprache einfach nebenbei. Mein Sohn hat früh mit dem Online spielen angefangen und war gezwungen, sich hauptsächlich auf Englisch zu verständigen. Dadurch ist er wirklich gut in dieser Sprache. Auch der Kleinsten fällt das unheimlich leicht.
Ein weiterer großer Vorteil hat sich jetzt in der Zeit des Distanzlernens herausgestellt: Meine Kinder hatten alle kein Problem mit den unterschiedlichen Plattformen der Schulen und deren Anforderungen. Texte mit Word schreiben, Powerpoint Präsentationen erstellen, Ordner anlegen, Dateien hochladen… sie sind so sicher im Umgang mit dem PC, dass sie von uns so gut wie keine Hilfestellungen brauchen. Oft höre ich von anderen Eltern, wie viel Zeit sie damit verbringen – unsere Kinder können das alleine managen.
Ich kann mich an meine Jugend erinnern, an meinen ersten Computer, einen AMIGA500. Ich habe unzählige Nächte zum Tag gemacht und Spiele wie „Siedler“oder „Sims“ gezockt. Exzessiv! Aber irgendwann wurde das viel weniger, und in den Jahren als die Kinder noch kleiner waren, habe ich den PC nicht mehr angerührt.
Mittlerweile spiele ich wieder hin und wieder auf der Switch, gerne auch mit meiner jüngsten Tochter. Und ich kann das, wenn man mich lässt, stundenlang. Für mich ist das ebenso entspannend wie für meine Kinder. Geschadet hat es mir nie, und das tut es auch noch heute nicht. Für mich gehören Medien heute einfach zum Leben dazu.
Bisher kann ich bei meinen Kindern keine Schäden feststellen. Ja, alle haben nicht wirklich Freunde, aber die hätten sie auch ohne Medien nicht, da alle sehr speziell sind. Drei von 4 Kindern sind kreativ, meine Große hat ein sehr großes Talent zum Zeichen. Mein Sohn liest total viel.
Und es ist interessant zu beobachten, dass die Phasen des Dauerzockens bei 3 von 4 Kindern begrenzt sind. Das kann mal Monate dauern, aber dann wird plötzlich der PC wochenlang nicht mehr eingeschaltet. Phasenweisen schauen sie YouTube fast rund um die Uhr und danach kommt plötzlich eine Phase, in der sie ihr Tablet nicht mehr finden.
Wir behalten die Medienzeit im Auge. Wenn es zu viel wird oder es die Kinder aggressiv macht oder was auch immer, greifen wir ein und regulieren. Aber immer mit Absprach und mit Erklärungen. Und das funktioniert hier wunderbar.
Danke für deine offenen Worte und Bekenntnisse. Du hattest bisher kein leichtes Leben, doch ich denke, die Liebe, etwa zu deinen Kindern, hat dich für vieles entschädigt.
Ich hab Psychoanalyse nur im Nebenfach studiert, doch eine Frage hätte ich: Wie kam das, dass man das Asperger Syndrom bzw. das ADHS bei deinen beiden jeweils betroffenen Kindern schon so früh diagnostiziert hat?
Ich nehme an, es liegt an der Aufmerksamkeit der Eltern. Ich kenn Fälle, da wurde das jahrelang runtergespielt und nicht behandelt, leider.
Ich sende dir Kraft und Zuversicht und wünsch dir weiterhin diese kleinen Glücksmomente beim Schreiben, weil gerade das kleine Glück das eigentlich große ist.
Sven 🙂
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Danke für deine Worte! Die Diagnosen wurden gar nicht so früh gestellt. Asperger bei meinem Sohn mit 12 Jahren, ADHS bei meiner Tochter mit 7. Bei meiner Tochter fiel es halt in der Schule auf, da wurden die Probleme sehr deutlich. Vorher zu Hause konnte ich es auffangen, indem ich auf ihre Bedürfnisse Rücksicht genommen habe. Bei meinem Sohn bin ich auch einfach auf ihn eingegangen, aber da war der Kindergarten schon schwierig. Und ganz extrem wurde es, als mein Exmann 6 Monate in der Klinik war. Da war ich das erste Mal mit ihm beim Psychologen. Aber es hieß immer nur, die Situation sei Schuld. Danach war es die Trennung. Danach war ich es. Aber ich hatte von Anfang die Vermutung, dass mehr dahinter steckt. Aber bis zur Diagnose hat es fast 6 Jahre gedauert.
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