Wir haben vor ca. 4 Wochen angefangen, unserer 8 jährigen Tochter ein Medikament namens Methylphenidat zu geben. Sie hat ADHS, und eigentlich war ich immer überzeugter Gegner, was Medikamente anging.
Es wurde aber in der Schule so schwierig, und sie stand sich selbst so massiv im Weg, dass alle anderen Wegen sich als nicht erfolgreich erwiesen hatten. Normalerweise wird eine solche Medikation mit Therapie begleitet, aber seit ca. einem Jahr stehen wir auf diversen Wartelisten und bekommen einfach keinen Therapieplatz für sie. Aber das ist ein anderes Thema.
Heute möchte ich euch berichten, welche Erfahrungen wir bisher mit dem Medikament gemacht haben. Wir haben bekommen mit 5mg Medikinet am Morgen und sind schon nach ein paar Tagen auf 10mg rauf gegangen. Und es war unglaublich – das Kind kam plötzlich fröhlich aus der Schule, weil es die Aufgaben viel besser verstanden hat, weil es ihr viel leichter fiel, mit den Aufgaben anzufangen usw. Sie war selber total glücklich darüber. Und hier zu Hause passierten auch Dinge, die wir so noch nie erlebt haben. Z.B. hat die Kleine zum ersten Mal in ihrem Leben völlig freiwillig, alleine und gründlich ihr Zimmer aufgeräumt. Das war krass!
Leider ließ die Wirkung der Tablette in der Schule zwischen 11 und 12 Uhr nach, und unsere Tochter fiel dann so richtig in ein Loch. Sie war hundemüde, fühlte sich total schlapp und war einfach nur geschafft, so dass wir sie mehrfach mittags von der Schule abholen mussten.
Die KJP hat daraufhin entschieden, auf Medikinet retard umzusteigen. Retard bedeutet, dass der Wirkstoff zweimal ausgeschüttet wird, 50% morgens und 50% mittags. Das sollte dann für den kompletten Schultag ausreichen. Leider ging das total nach hinten los! Schon am Wochenende, als sie die Retard Tablette die ersten Male genommen hat, war sie hier zu Hause ungewöhnlich aggressiv. Sie hatte richtige Ausraster, hat gegen Möbel getreten, Sachen herumgeschmissen, gebrüllt, beschimpft usw. Das war für uns alle unglaublich anstrengend. Leider passierte auch genau das in der Schule. 3 Tage mussten wir sie mittags abholen, weil sie in der Schule völlig ausgerastet war. Sie hat Kinder mit dem Lineal geschlagen, ihre Sachen durch die Klasse geworfen, hat jegliches Gespräch verweigert usw. Die Lehrer und OGS Erzieherinnen kamen nicht mehr an sie ran, weshalb wir unsere Tochter natürlich sofort abgeholt haben.
Von der Uhrzeit her fielen diese Ausraster ziemlich genau mit der zweiten Medikamenten Ausschüttung zusammen, und meine Tochter sagte selbst ganz deutlich, dass sie sich mit diesen Tabletten furchtbar fühlt und sie nicht mehr nehmen will. Also haben wir sie, in Absprache mit der KJP, direkt abgesetzt.
Nun bekommt meine Tochter das dritte Medikament. -wieder Methylphenidat, wieder ein retard Mittel. Aber diesmal eins, das langsamer wirkt. Morgens dauert es ca. 2 Stunden, bis es wirkt (was bei uns aber zeitlich passt, da die Maus schon um 6:15 Uhr geweckt werden will, um morgens keinen Stress zu haben). Außerdem werden morgens nur 30% des Wirkstoffs ausgeschüttet und mittags 70%, die aber auch nicht in einem Schuss, sondern langsam.
Wir haben die Tablette sonntags das erste Mal gegeben und unser Kind beobachtet. Aber sie war den ganzen Tag entspannt. Keine Wutanfälle, keine Ausraster. Gestern zum ersten Mal Schule mit dem neuen Medikament, und wir wurden nicht angerufen. Die Maus kam zufrieden nach Hause und sagt, die Tablette fühlt sich super an. Allerdings war das ja auch erst Tag 1 in der Schule, wir warten also ab.
Ich sage euch, es ist unheimlich schwer, damit umzugehen. Zum einen war es sehr schwer, mich überhaupt für die Medikamente zu entscheiden. Dafür habe ich ein Jahr gebraucht. Zum anderen ist es nicht leicht mitanzusehen, wenn es seinem Kind dann mit der Tablette nicht gut geht.
Medikamente geben bei ADHS ist definitiv nicht der „leichte Weg“!
Ich wünsche euch alles Gute. Besonders eurer Tochter! Segen!
LikeLike
Nein, das ist kein leichter Weg, weil es dauert bis die Dosierung und das Medikament stimmt.
Allerdings hilft es dann durch die positiven Erlebnisse um so besser.
Und ja, es ist eine Unterstützung, aber kein Heilmittel und auch kein Zauber, auf dem man sich ausruhen kann und sollte.
LikeGefällt 1 Person
Nein, das ist klar. Also dass es nur Unterstützung ist. Ich wünschte nur, es wäre jetzt auch ein Therapieplatz vorhanden.
LikeGefällt 1 Person
Ich drücke euch alle Daumen, dass ihr den für euch bestmöglichen Weg findet!
LikeGefällt 1 Person
Danke schön!
LikeLike
viel geduld und nerven braucht es, bis die medikation sitzt, ja: kein leichter weg. dennoch, begleitet von guten ärztInnen und therpeutInnen, oft einer zum besseren. i drück euch die daumen …
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank! Zum Glück haben wir gute Ärzte und Therapeuten, denen wir vertrauen. Sonst wäre es auf jeden Fall noch schwieriger.
LikeGefällt 1 Person
Diese extremen Aggressionen unter Medikinet retard hatte mein Sohn auch. Ich fand das wahnsinnig gruselig, zumal er ja eh schon zu Aggressionen neigt.
Leider ging es bei uns nicht so komplikationslos weiter.
Wir haben jetzt eigentlich alles mit Methylphenidat durch und immer wenig Wirkung, viel Nebenwirkung. Und keinerlei Besserung der Impulskontrolle, dafür Einschlafprobleme.
Jetzt hardere ich mit der Frage es noch mit weiteren Medikamentengruppen zu versuchen oder bleiben zu lassen.
Wo bei es ohne auch schwierig ist, ich habe immer Sorge, dass er sich oder andere schädigt.
Schön, wenn es bei euch besser laufen sollte.
LikeGefällt 1 Person
Ich habe das jetzt tatsächlich schon öfter gehört und gelesen. Ich fand es auch sehr gruselig. Ich wünsche euch, dass ihr eine gute Entscheidung treffen könnt!
LikeGefällt 1 Person