Mein Leben mit Lip-/Lymphödem

Heute möchte ich euch gerne ein bisschen über mich erzählen, denn wenn mich Menschen „in freier Wildbahn“ (und sicherlich auch hier) sehen, sind sie meist geschockt. Und vor allem angeekelt. Und das lassen sie mich spüren. Ich kann nicht aus dem Haus gehen, ohne dass ich angewiderten Blicken ausgesetzt bin, ohne beleidigende Kommentare.

Ja, ich bin fett. Ich bin sehr, sehr fett. Ich leide seit meiner Pubertät unter der Krankheit Lipödem, aber ich habe immer nur zu hören bekommen, ich sei fett, weil ich zu viel fresse und mich zu wenig bewege.
Ich habe von diversen Ärzten diverse Ernährungsberatungen verschrieben bekommen und sie auch gemacht. Ich habe irrsinnig viel Geld in Diäten gesteckt, sogar unterstützt von Heilpraktikern. Und ich habe früher relativ viel Sport gemacht. Da ich keinen Führerschein habe, bin ich immer Fahrrad gefahren. Ich bin oft schwimmen gewesen und bei der Aquagymnastik. Geholfen hat nichts.

Im Jahr 2014 erst, also als ich bereits 36 Jahre alt war, wurde ich in einer Kur zum ersten Mal auf die Krankheit Lipödem aufmerksam gemacht. Aber erst 2016 habe ich einen Arzt gefunden, der es diagnostiziert hat. Stadium 3, Lymphödem Stadium 2.

Seit dieser Diagnose habe ich regelmäßig manuelle Lymphdrainage und Kompressionskleidung. Die Lymphdrainage hilft mir gegen die Schmerzen, die Kompression nicht, leider.

Ich leide unter meinem Gewicht, ganz massiv. Durch das Lipödem, von dem mittlerweile nicht nur Beine und Arme, sondern auch Bauch und Hintern betroffen sind, habe ich ständig Schmerzen. Etwas fester Berührungen tun mir weh und hinterlassen blaue Flecken.

Mittlerweile habe ich Pflegestufe 2 und bin in meinem Leben extrem eingeschränkt. Ich kann nicht ohne Schmerzen laufen, länger laufen als 10 Minuten am Stück geht nicht.
Wenn ich sitze, habe ich Schmerzen, es sei denn, ich sitze irgendwo, wo ich die Beine ausstrecken kann.

Ich habe 3 Kinder, mit denen ich nichts tun kann, was andere Mütter tun. Ich kann nicht mit ihnen spazieren gehen, nicht ins Schwimmbad, nicht Radfahren, keine Ausflüge oder Sport machen. Ich kann nicht mit ihnen toben, nicht mit ihnen auf dem Boden sitzen, um zu spielen. Früher bin ich daran emotional fast zerbrochen, aber heute kann ich sagen, dass ich meinen Weg gefunden habe, damit umzugehen.

Ich habe meinen Kindern immer offen gesagt, was ich kann und was nicht, habe Ihnen meine Krankheit erklärt. Und mache andere Dinge mit ihnen. Ich lese viel vor, wir kuscheln, spielen zusammen Switch oder Brettspiele. Wir basteln und malen zusammen. All das geht, ohne dass ich auf dem Boden sitzen muss, ohne dass ich Schmerzen habe.
Ja, meine Kinder machen sich Sorgen um mich. Sie sind traurig, dass ich nicht mit ihnen Radfahren kann. Oder schwimmen gehen. Dass ich es nicht schaffe, einen ganzen Tag mit ihnen durch einen Zoo oder einen Freizeitpark zu laufen.

Wie ich selbst sind auch Sie daran gewachsen, sind sehr selbstständig. Sie gingen schon sehr früh alleine zur Schule, haben früh gelernt, sich selbst richtig einzuschätzen. Nur so hoch zu klettern, wie sie auch alleine wieder runter kommen und ähnliches. Ich bin sehr stolz auf sie!

Eine Operation kommt für mich zur Zeit nicht in Frage, denn ich bin zu schwer, mein BMI ist zu hoch, um sie von der Krankenkasse bezahlt zu bekommen. Außerdem wären es 10 bis 12 Operationen, was ein riesiges gesundheitliche Risiko darstellen würde. Und da ich alleinerziehend bin, habe ich kein Backup für die Kinder, während ich im Krankenhaus bin oder mich von den Operationen erholen muss.

Ich muss lernen, mein Leben auch mit meiner Krankheit lebenswert zu gestalten. Und ich wünsche mir, nicht immer auf mein Äußeres beschränkt und dafür verurteilt zu werden. Ja, ich bin fett. Ja, das sieht hässlich und eklig aus. Ja, ich habe ständig Schmerzen und bin motorisch stark eingeschränkt, aber…

Ich bin eine starke Frau! Ich bin klug, empathisch, hilfsbereit, für andere da und innerlich schön. Und ich will an mich glauben!

4 Kommentare zu „Mein Leben mit Lip-/Lymphödem

  1. Hallo! Ich konnte mir beim Lesen Deines Texts zum Lipödem ein Grinsen nicht verkneifen. Wieso? Ich hatte das Gefühl entwickelt, als würdest Du m i c h beschreiben. Ich bin in einer vergleichbaren Situation, nur ….. ich bin mit diesem Thema durch, denn in meinem Alter hat man keine Zeit mehr, sich mit dem jammervollen Zustand des Körpers lange aufzuhalten,

    Ich bin nicht dreist genug, mit guten Ratschlägen um mich zu werfen, Ich bekam auch keine präsentiert und musste mich selbst aus der Falle befreien. Es war ein kleines Gefecht zwischen Emotionen und Verstand. Der Verstand hat gewonnen. Und der sagt mir: Alter, Du bist bald tot. Nutze Deine Zeit für Positives! Entdecke jeden Tag aufs Neue die vielen schönen Kleinigkeiten. Und so weiter.

    Selbstbetrug? Nein. Die negative Seite meines Lebens verlangt nach Kompensation durch Positives, und das liefere ich. So bleibt alles in der Waage.

    Das Problem dabei? Man kann nichts davon herbei- oder wegreden. Man muss es „er“leben, und das ist ein Stück Arbeit, bis man die Seele wieder richtig ausgerichtet hat.
    Grüße!
    Roland

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